aigl in Wolfsburg: arbeitsfähig, gesund, integriert und leistungsfähig

Im Projekt agil in Wolfsburg soll ein engmaschiges Hilfsnetzwerk zwischen dem Jobcenter Wolfsburg und den medizinisch-therapeutischen bzw. psychosozialen Beratungseinrichtungen vor Ort geschaffen werden. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch die Charité Berlin und die Ostfalia, die durch verschiedene Analyseformen die Kosten und den Nutzen des Projekts bewerten. Es handelt sich um ein Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation und gehört zum Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“. Ziel von rehapro ist es, die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen sicherzustellen. Langfristig soll somit der Eintritt in die Erwerbsminderungsrente sowie in die Sozialhilfe gesenkt werden.

Die psychische Gesundheit gilt als relevanter Faktor für die Arbeitsfähigkeit. Erkrankungen der Psyche sind die zweithäufigste Ursache für betriebliche Fehlzeiten. Zudem führen sie zu deutlich längeren Krankschreibungen als körperliche Erkrankungen. Zu viele Betroffene bekommen in Deutschland keine Behandlung, warnt die Bundes Psychotherapeuten Kammer in der Studie „Arbeits- und Erwerbsfähigkeit: Psychische Erkrankungen und gesundheitsbedingte Frühverrentung“. Als Gründe sind hier eine unzureichende Versorgung sowie Zuständigkeits- und Schnittstellenprobleme im Sozialversicherungssystem zu nennen. Dazu gehören Probleme beim Zugang zur ambulanten Psychotherapie sowie nicht erreichbare Versorgungsangebote.

Oft erhalten die Betroffenen keine adäquate Behandlung. Die Erkrankung wurde zu spät erkannt und die Wartezeiten sind zu lang. Die durchschnittliche Wartezeit in Großstädten liegt bei ca. vier Monaten und außerhalb von Großstädten bei fünf bis sechs Monaten, zeigt die Studie „Ein Jahr nach der Reform der Psychotherapie-Richtlinie: Wartezeiten 2018“ der Bundes Psychotherapeuten Kammer. Die Folgen für die Betroffenen sind nicht zuletzt eine voranschreitende Einschränkung der Teilhabefähigkeit. Darüber hinaus kann es zu einer Chronifizierung der Erkrankung kommen. Die Betroffenen kommen daher aus langen Phasen der Arbeitslosigkeit nicht ohne vernetzte Hilfssysteme heraus. Um solche Verläufe vorzubeugen bzw. zu verhindern, ist eine frühestmögliche Diagnostik sowie Gewährleistung einer zeitnahen Intervention nötig.

Ziel des Projekts agil in Wolfsburg ist es, Menschen im Alter von 18 bis 35 Jahren mit Sucht- und/oder psychischen Erkrankungen zu unterstützen. „Mithilfe einer bedarfsgerechten und zeitnahen Ermöglichung von Beratungs-, Behandlungs- und Rehabilitationsleistungen soll die Erwerbsfähigkeit der Betroffenen aufrechterhalten bzw. wiederhergestellt werden“, so Sandra Deraneck, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt. Die Projektteilnehmer*innen werden in die Lage versetzt, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften sicherzustellen. „Durch Hilfe zur Selbsthilfe können also auch finanzielle Leistungen eingespart werden“, berichtet Deraneck. Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, Menschen mit gravierenden Einschränkungen in ein angemessenes soziales Sicherungssystem zurückzuführen. Zudem sollen wesentliche Neuerungen und Änderungen in der Organisation und Kooperation im Jobcenter Wolfsburg umgesetzt werden. Dazu gehört die Einrichtung von Motivationsgruppen sowie psychoedukativen Gruppen bei den Netzwerkpartnern. Zudem werden agil-Coaches eingesetzt und ein Konzept zur Schulung von Integrationsfachkräften entwickelt.

Wenn sich die Schulung der Integrationsfachkräfte bewährt und als wichtiges Erfolgskriterium herausstellt, könnte die konzipierte Schulung in Form eines Schulungshandbuches bundesweit zur Verfügung gestellt werden. Im weiteren Verlauf wäre eine Schulung der Integrationsfachkräfte der Arbeitsagenturen denkbar, um noch frühzeitiger Gefährdungen zu erkennen und präventiv einzugreifen. Sollten sich die optimierte Zusammenarbeit und die neu geschaffenen Strukturen in Form von agil-Coaches und Motivationsgruppen als erfolgreich erweisen, können diese in anderen Jobcentern übernommen werden. Aus den gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen könnten Jobcenterleiter*innen ein sogenanntes Best-Practice-Beispiel beschreiben und allgemein zur Verfügung stellen. Das übergeordnete Ziel des Projekts „agil in Wolfsburg“ ist demnach eine „Übertragung und Verstetigung der Ergebnisse auf bundesweiter Ebene“, erläutert Deraneck.


Akteure und Aufgaben

Jobcenter Wolfsburg

  • Einsatz der agil-Coaches
  • Schulung der Integrationsfachkräfte

Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften – Hochschule Braunschweig/ Wolfenbüttel

  • Gesundheitsökonomische Evaluation
  • Wissensbegleitung

Charité Universitätsmedizin Berlin mit dem Institut für medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft

  • Personenbezogene wissenschaftliche Begleitung
  • Evaluation und Untersuchungen zur Wirkung

Sozialpsychiatrische Dienst und die Psychiatrische Institutsambulanz des AWO Psychiatriezentrums der Stadt Wolfsburg

  • Psychosoziale Beratung und Begleitung
  • Weitervermittlung der Betroffenen an die Kooperationspartner (Ärzte/Psychotherapeuten, Tagesklinik und Klinik, bei unklarer Diagnose eine psychiatrische/psychotherapeutische Diagnostik
  • Unterstützung bei der Beantragung von Teilhabeleistungen
  • Bereitstellung von psychoedukativen Gruppenangeboten

Jugend- und Drogenberatung (drobs)

  • Beratung und Begleitung von Suchtkranken
  • Abstinenzmotivation
  • Motivationsgruppen
  • Lebensweltorientierte Betreuung

Rehabilitationseinrichtung Lavie Reha gGmbH

bei unklarer Leistungsfähigkeit eine ergänzende Arbeitsdiagnostik und –erprobung in drei Stufen:

  1. Kurzscreening (psychologisch, sozialpädagogisch, arbeitstherapeutisch)
  2. Arbeitstherapeutische Gruppen- oder Einzeldiagnostik
  3. Belastungserprobung in verschiedenen Feldern

Diakonie Wolfsburg

  • Beraten und Begleiten der Suchtkranken
  • Abstinenzmotivation
  • Motivationsgruppen
  • Raucherentwöhnung