Zum Versorgungsalltag von Pflegeheimen gehört immer häufiger die Pflege und Betreuung sterbender sowie älterer Menschen mit komplexen Mehrfacherkrankungen. Verändert sich bei diesen Menschen der Gesundheitszustand, führt dies häufig zu Rettungsdiensteinsätzen und zu anschließenden Krankenhauseinweisungen. Stress und Desorientierung können die Folge sein. Dies kann wiederum zu einer Verschlechterung von bestehenden oder zu weiteren Erkrankungen führen. Hier setzt das Projekt „Novelle“ an. Es bietet Pflegefachkräften Handlungs- und Rechtssicherheit. Zudem wird die Sicherheit von Patient*innen, die Selbstbestimmung sowie ethische Gesichtspunkte berücksichtigt.
Der Versorgungsalltag in Pflegeeinrichtungen weist eine steigende Pflege und Betreuung von älteren bis hochbetagten Menschen mit einer Vielzahl an Erkrankungen und daraus resultierenden Symptomen auf. Bei einer Änderung oder Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Bewohner*innen der Pflegeheime, wird oftmals der ärztliche Bereitschaftsdienst konsultiert oder der Rettungsdienst gerufen. Häufig hat dies eine anknüpfende Krankenhauseinweisung zur Folge. Oft kommt es zudem zu wiederholten Krankenhauseinweisungen und zu einer erhöhten Sterblichkeit. Auch lebensverlängernde Maßnahmen werden entgegen dem Wunsch der Patient*innen zu häufig ergriffen. „Es gibt viele Krankenhauszuweisungen, die nicht notwendig sind oder dem Willen der Bewohner*innen widersprechen“, so Martina Hasseler, Leiterin des Projektes. Der in einer Patientenverfügung fixierte Wunsch, findet in den Notfallsituationen selten Beachtung. Für die Patient*innen bedeutet dies eine Unterbrechung der kontinuierlichen Versorgung und den Wechsel der Bezugspersonen. Dies kann zu weitreichenden Komplikationen führen. „Jede Krankenhauszuweisung ist eben eine Gefährdung für die gesundheitliche Situation der Heimbewohner*innen“, so Hasseler.
„Wir konnten im Projekt sehen, dass häufig Notfallzuweisungen erfolgen, weil beispielsweise ein Pflegepersonalmangel oder eine Anordnung von Seiten der Leitung vorliegt“, berichtet Hasseler. Aus pflegerisch-medizinischer Perspektive sind diese Umstände vielmals durch mangelnde Absprachen, unpräzise Anweisungen sowie durch fehlende Dokumente geprägt. Das Forschungsprojekt „Novelle“ möchte daher interdisziplinär nutzbare Handlungsempfehlungen für relevante und häufig eintretende Notfallsituationen entwickeln. Diese werden in den teilnehmenden Pflegeheimen implementiert, um anschließend resultierende Auswirkungen zu überprüfen. Ein optimiertes Versorgungs- und Schnittstellenmanagement soll mithilfe der Handlungs- und Rechtssicherheit der Pflegefachkräfte sowie durch eine verringerte Anzahl an Notfallrettungseinsätzen belegt werden.
Ein interdisziplinäres Projektteam aus Pflege, Medizin, Ethik, Recht und IT entwickeln auf wissenschaftlicher Basis zu vorab identifizierten Notfallsituationen relevante Handlungsempfehlungen. Grundlage hierfür bilden vorab durchgeführte Interviews und Workshops mit Hausärzten und Mitarbeiter*innen aus den Pflegeberufen sowie Literaturrecherchen. Nach einer Multiplikatorenschulung ausgewählter Pflegefachkräfte der Interventionseinrichtungen erfolgt eine Implementierung und Erprobung der Handlungsempfehlungen in den teilnehmenden stationären Institutionen der Langzeitpflege. Dieser Prozess wird durch Mitglieder des Projektteams begleitet.
Die Umsetzung des Projektes erfolgt in teilnehmenden stationären Langzeitpflegeeinrichtungen der Stadt Braunschweig. Verglichen werden diese mit Pflegeeinrichtungen, bei denen die Notfallalgorithmen nicht zum Einsatz kommen und die derzeit übliche Vorgehensweise stattfindet. Eine geringe Anzahl an Notfallrettungseinsätzen wird als Indikator für eine gelungene Versorgung betrachtet. Im Erfolgsfall könnte die neue Versorgungsform in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen überführt werden und damit allen Patient*innen in Pflegeheimen sowohl in städtischen als auch ländlichen Bereichen zur Verfügung stehen.
Das Projekt wird über 48 Monate, vom 01.08.2019 bis zum 31.07.2023 aus Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Bereich der neuen Versorgungsformen gefördert.
Förderkennzeichen: 01NVF18007
Die Fördersumme beträgt ca. 2,6 Millionen Euro.
Die Projekt- und Versorgungsziele auf einen Blick
- Entwicklung und Integration berufsgruppenübergreifender Handlungsempfehlungen in medizinischen Notfallsituationen für die stationäre Langzeitpflege, welche auf den Willen von Patient*innen ausgerichtet sind
- Wahrung und Sicherstellung des Willens von Patient*innen in Notfallsituationen
- Vermeidung beziehungsweise Reduktion unerwünschter Notfallrettungseinsätze in stationären Langzeitpflegeeinrichtungen
- Verminderung von mit Notfalleinsätzen verbundenen Krankenhauszuweisungen
- Verbesserung des Schnittstellenmanagements zwischen der stationären Langzeitpflege und der präklinischen Versorgung
- Schnelle Erfassung bzw. sicheres Ausschließen von zeitkritischem Behandlungsbedarf in potenziellen Notfallsituationen und Einleitung der gewünschten Maßnahmen
- Erhöhung der Patientensicherheit, Selbstbestimmung und Rechtssicherheit bei der Notfallversorgung in Pflegeeinrichtungen
- Erhöhung der Handlungssicherheiten der pflegerischen Berufsgruppen in der stationären Langzeitpflege
Darstellung der Arbeitspakete
Stimmen zum Projekt
Interview: Prof. Constanze Janda / Prof. Martina Hasseler
18.05.2021
Interview: Dr. Nadia Primc / Dr. Giovanni Rubeis / Prof. Martina Hasseler
10.06.2021
Interview: Bianca Steiner / Prof. Martina Hasseler
16.06.2021
Interview: Dr. Sven Schwabe / Prof. Martina Hasseler
23.06.2021
Interview: Vanessa Luttermann / Wilken Voss / Prof. Martina Hasseler
06.07.2021
Interview: Dr. Andreas Günther / Prof. Martina Hasseler
14.07.2021
Tagungen und Kongresse 2022
Tagungen und Kongresse 2021
19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung 2020
Tagungen und Kongresse im Jahr 2020
Publikationen
Posterpräsentation Novelle
Interview mit Frau Prof. Dr. Martina Hasseler im Monitor Pflege
„…ärztlich betrachtet ist das ein Bagatellfall“ – Wahrnehmungsunterschiede zwischen Ärzt*innen und Pflegekräften auf Notfallszenarien in Pflegeeinrichtungen
Rettungsdienst im Pflegeheim – die Perspektive der Pflegefachkräfte stärken
„… darum rufe ich jetzt den Rettungsdienst!“Eine qualitative Studie zu Notfallszenarien in Pflegeheimen
Befugt oder nicht? Sauerstoffmessung im Heim
Unterstützung der Handlungssicherheit von Pflegefachpersonen im Umgang mit Notfallsituationen in Pflegeheimen. Ergebnisse einer qualitativ-empirischen Studie