Entwicklung und Testung eines Einschätzungsinstrumentes
Menschen mit geistigen und mehrfachen Beeinträchtigungen erfahren in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung unterschiedlich ausgeprägte Nachteile. Sie erhalten insgesamt weniger kurative, gesundheitsfördernde, präventive und rehabilitative Angebote. Des Weiteren haben älter werdende Menschen mit Beeinträchtigungen einen erhöhten Pflegebedarf, erhalten aber keine adäquate pflegerische Versorgung.
Die World Health Organization (WHO) fordert im Entwurf eines Aktionspapieres „Bessere Gesundheit für Menschen mit Behinderungen“ die Entwicklung von standardisierten Instrumenten für die Erhebung der gesundheitlichen und pflegerischen Situation von Menschen mit Behinderungen als Grundlage für eine verbesserte Versorgung.
Dieses Projekt schließt an dem Forschungs- und Wissenstand sowie der Forderung der WHO an. Das Ziel ist die Entwicklung eines Einschätzungsinstruments für die systematische Erfassung der gesundheitlichen und pflegerischen Bedarfe von Menschen mit geistigen und mehrfachen Beeinträchtigungen in ambulanten und stationären Wohneinrichtungen (EIBeMeB). Aufgrund dieser Basis soll ermöglicht werden, Maßnahmen der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung zu optimieren und einen längeren Verbleib im vertrauten Wohnumfeld zu gewährleisten.
Die Hintergründe des Projekts
Internationale Studien kommen zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zur Gesamtbevölkerung in mehrfacher Hinsicht ein Ungleichgewicht in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung von Menschen mit geistigen und mehrfachen Beeinträchtigungen besteht.
So lässt sich feststellen, dass Menschen mit geistigen und mehrfachen Beeinträchtigungen
- weniger gesundheitsfördernde, präventive, kurative und rehabilitative Angebote erhalten
- einen eingeschränkten Zugang zu gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung haben
- weniger diagnostische und therapeutische Maßnahmen erhalten
- weniger neurophysiologische Testungen zur Diagnostik, beispielsweise von Demenz, durchgeführt werden
- mehr Medikamente bekommen
- mit Problemen in der Kommunikation zu den Angehörigen der Gesundheitsprofessionen konfrontiert sind
- auf fehlende fachspezifische Qualifikation bei den Angehörigen der Gesundheitsprofessionen treffen
- auf strukturelle Probleme in der Gesundheitsversorgung stoßen, zum Beispiel Zeitmangel
Demgegenüber lässt sich feststellen, dass systematisch durchgeführte Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitschecks bei Menschen mit geistigen und mehrfachen Beeinträchtigungen oftmals unentdeckte Gesundheitsprobleme aufdecken, so dass diese durch die Einleitung geeigneter Therapien angemessen behandelt werden können.
Die Ziele des Projekts
Vor diesem Hintergrund soll im Rahmen des Projektes EIBeMeB ein zielgruppenspezifisches Einschätzungsinstrument in enger Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern entwickelt, getestet und evaluiert werden.
Über die Durchführung des Einschätzungsinstrumentes in den Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe oder auch im häuslichen Bereich sollen individuumbezogen bedeutsame Gesundheits- und Pflegeinformationen differenziert erhoben, dokumentiert und ausgewertet sowie gemeinsam mit dem Klienten*in Unterstützungsmaßnahmen geplant werden können.
Mit dem Einsatz des Einschätzungsinstruments sollen dabei die folgenden Ziele erreicht werden:
- Erweiterung von bereits bestehenden Verfahren im Rahmen der Eingliederungshilfe und des zum 01.01.2018 durch das BTHG in das SGB IX fest aufgenommenen Teilhabe- und Gesamtplanverfahrens um eine differenzierte Abbildung gesundheitlicher und pflegerischer Bedarfe
- Ermöglichung einer fortlaufenden und systematischen Einschätzung der pflegerischen und gesundheitlichen Bedarfe einer Person, um zukünftig eine bedarfs- und altersgerechte gesundheitliche und pflegerische Versorgung settingübergreifend in den Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe bzw. im häuslichen Bereich sowie sektorenübergreifend in der ambulanten und stationären Versorgung zu gewährleisten
- Verbesserung der Kommunikation zwischen den während der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung beteiligten Personen (Klient*in, Eltern, Angehörige, rechtliche Betreuung) und Professionen (z.B. Mitarbeitende der Wohneinrichtung, Haus-, Fachärzte*innen, Therapeuten*innen sowie weitere Berufsgruppen, z.B. aus der Rehabilitation, dem Hilfsmittelsektor etc.)
- Verbesserung des Überleitungsmanagements über die Bündelung von relevanten Gesundheits- und Pflegeinformationen
- Abdeckung der Schnittstellenproblematik zwischen Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung, z.B. über die Abbildung des zeitlichen Mehraufwands durch einen erhöhten Bedarf im Bereich Pflege oder als inhaltliche Argumentationshilfe für eine höhere Einstufung des Eingliederungsbedarfs, wenn kein diagnostizierter Pflegebedarf 4 oder 5 vorliegt
Übergeordnetes Ziel bildet dabei die Förderung der Gesundheit, Lebensqualität und Teilhabe von Menschen mit geistigen und mehrfachen Beeinträchtigungen.
Projektverlauf
Seit Januar 2021 liegt eine vorerst abgeschlossene digitale Version des Einschätzungsinstrumentes mit dem Namen „IDA: Information – Dokumentation – Assessment zur Erfassung von pflegerischen und gesundheitlichen Bedarfen von Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen“ vor.
Die App I.D.A: Information – Dokumentation – Assessment zur digitalen Erfassung von pflegerischen und gesundheitlichen Bedarfen von Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen
Genauere Informationen zu der im Rahmen des Projektes EIBeMeB entwickelten App finden Sie auf der Webseite. Videos zur Entwicklung, Einführung in die Inhalte und Funktionen und zum praktischen Einsatz der App I.D.A können Sie auf dem dazugehören YouTube-Kanal ansehen.
Wünschen Sie einen Testzugang, nehmen Sie bitte Kontakt zum Team auf.