Kanban/ Scrum Boards

Abb. 1: Arbeiten mit dem Kanban Board (Grafik von Andrea Bode erstellt für das Projekt „Agile Methoden in digitalen Lehrveranstaltungen“ (AGGIT) lizenziert unter CC BY-NC-ND (4.0))

Der Begriff Kanban entstammt aus den japanischen Wörtern „Kan“ für visualisieren und „Ban“ für Karte. Es werden beim Kanban also Karten so visualisiert, dass auf ihnen einzelne Arbeitspakete abgebildet und der Arbeitsprozess über das verschieben dieser Karten verdeutlicht werden kann. So erhalten Studierende, die mit Kanban arbeiten, einen schnellen Überblick über ihren Arbeitsprozess und können diesen autonom, transparent und effizient gestalten (vgl. Simschek, 2020, S. 139).

Wozu wird ein Kanban Board/ Scrum Board im Lehrkontext genutzt?

Ein Scrum oder Kanban Board ist ein visuelles Werkzeug und unterstützt Studierendenteams dabei ihre Teamarbeit und ihre Lernprozesse besser zu planen, Aufgaben und deren Bearbeitungsstatus transparent abzubilden und kollaborative Prozesse gemeinsam besser zu steuern.

Das Scrum oder Kanban Board dient zudem für die Lehrenden als Mittel für die Inspektion. Sie können sehen, in welcher Weise und mit welchen Fortschritten die Studierenden die Projekte bearbeiten und können so besser auf die Bedürfnisse der Teams eingehen.

Zusatzinformation:
Bei Scrum in der Lehre ist das Scrum Board ein essentieller Bestandteil der Methode. Kanban Boards können aber auch zur besseren Strukturierung von Gruppen- oder Einzelarbeitsphasen unabhängig von Scrum genutzt werden. So wäre es beispielsweise auch möglich ein solches Board anstelle einer To-Do Liste zu nutzen um den Schreibprozess einer wissenschaftlichen Hausarbeit o.ä. zu strukturieren. Den größten Mehrwert bieten Scrum/Kanban Boards aber dann, wenn die Zusammenarbeit mehrerer Personen miteinander koordiniert und transparent nachverfolgbar gemacht werden soll. (Lesen Sie hier mehr zum Unterschied zwischen Scrum und Kanban)

Für die Erstellung von Kanban/Scrum Boards kann an der Ostfalia HAW z.B. die Software Kanboard genutzt werden.

Mehrwert von Kanban Boards für Studierende in der Lehre

  • Gemeinsam Projekte in Arbeitspakete aufgliedern
  • Aktuellen Status der Arbeitsaufgaben visualisieren
  • Eine Übersicht erhalten, welche Aufgaben aktuell zu erledigen sind
  • Eine Übersicht erhalten, welche Aufgaben von wem erledigt werden
  • Ablegen und Teilen von Arbeitsergebnissen

Mehrwert von Kanban Boards für Lehrende in der Lehre

  • Einen Überblick darüber erhalten, welche Aufgaben aktuell und in Zukunft von den studentischen Teams zu erledigen sind oder bereits erledigt wurden und wer für die einzelnen Aufgaben verantwortlich ist
  • Einsehen ob die Studierende Fortschritte im Projekt/ beim Lernprozess erzielen
  • Spezifisches Feedback bezogen auf den Lernprozess/ Fortschritt und Hinweise geben können
  • Feststellen, ob alle Studierenden eines Teams gleichermaßen mitarbeiten und Aufgaben gerecht verteilt sind

Wie sieht ein Kanban Board/ Scrum Board aus?

Auf dem Scrum Board/ Kanban Board werden alle zu bearbeitenden Aufgaben als Karten abgelegt. Die Prozessschritte bzw. Aktivitäten, die eine Karte bei der Bearbeitung durchläuft, werden als Spalten dargestellt. In der Regel gibt es mindestens 4 Spalten:

„Backlog“ – Hier werden alle zu bearbeitenden Lern- oder Aufgabenpakete bzw. Aufgaben/Tasks gesammelt.

„To Do“/„Bereit“ – Hier werden zu Beginn einer Arbeitsphase/ eines Sprints die Karten mit den in dieser Phase/in diesem Sprint zu bearbeitenden Aufgaben/Tasks abgelegt.

„Doing“ /„In Arbeit“ – In dieser Spalte befinden sich die Tasks, die gerade bearbeitet werden.

„Done“/„Erledigt“ – Ist eine Aufgabe/ein Task abgeschlossen und entspricht alles den Akzeptanzkriterien, so wird die Aufgabe/der Task in die Spalte „Done“ verschoben.

Abb. 2: Kanban Board (Grafik von Andrea Bode erstellt für das Projekt „Agile Methoden in digitalen Lehrveranstaltungen“ (AGGIT) lizenziert unter CC BY-NC-ND (4.0))

Je nach Art des Projekts können weitere Spalten hinzugefügt werden. Damit allerdings deutlich wird, dass in der Spalte eine Aktivität stattfindet, sollten die Spaltennamen ein Verb beinhalten (z. B. „Prototyp entwickeln“) (vgl. Leopold, 2017, S. 48).

Wie wird ein Kanban Board/ Scrum Board genutzt?

Zu Beginn einer Arbeitsphase/ beim Planning eines Sprints werden größere Arbeitspakete (manchmal auch User Storys oder Epics genannt) in kleinere (schnell bearbeitbare) Tasks/Arbeitseinheiten/Aufgaben unterteilt.

Zusatzinformation:
Der Arbeitsaufwand eines Tasks sollte möglichst klein sein, so dass dieser Task schnell abgearbeitet werden kann. Bei Scrum in Industrieprojekten wird häufig versucht Tasks mit maximal einem Arbeitstag (8 Arbeitsstunden) zu erstellen. Im Rahmen von Lehrveranstaltungen mit begrenzten zeitlichen Ressourcen sollten die Tasks entsprechend noch kurzweiliger gestaltet werden.

Für jeden Task wird eine Karte in der Backlogspalte erstellt auf der ggf. zusätzlich die dafür vorgegebenen Akzeptanzkriterien, die Höhe der Priorität, der geschätzte zeitliche Aufwand, das Fälligkeitsdatum oder andere für die Bearbeitung wichtige Informationen hinterlegt werden. Anschließend plant und vereinbart das Team, welches Teammitglied für welche Karte verantwortlich ist und vermerkt dies auf der Karte. (Bei Scrum in der Lehre geschieht dies im Rahmen des Plannings.)

Im Verlauf der Arbeitsphase werden die einzelnen Karten von den verantwortlichen Teammitgliedern in die „To do“/ „Bereit“-Spalte gezogen (Pull-Prinzip) und durlaufen anschließend das Board von links nach rechts. Die Studierenden können anhand der Position der Karte im Kanban oder Scrum Board und anhand der Informationen auf einer Karte sehen, welchen Bearbeitungsstatus eine Task hat, wer für die Bearbeitung zuständig ist, welche Priorität eine Aufgabe hat oder zu wann die Fertigstellung erfolgen sollte.

Abb. 3: Fluss einer Karte durch ein Kanban Board (Grafik von Imke Peters erstellt für das Projekt „Agile Methoden in digitalen Lehrveranstaltungen“ (AGGIT) lizenziert unter CC BY-NC-ND (4.0))

Bei der Nutzung digitaler Kanban Boards können Karten zusätzlich auch Dokumente angehängt werden. So lassen sich Zusatzinformationen darstellen oder aktuelle Arbeitsergebnis/ Zwischenstände flexibel und ortsunabhängig teilen. Durch die Möglichkeit Beschreibungen in Karten einzufügen und Kommentare zu Arbeitsergebnissen zu hinterlassen, kann das Scrum oder Kanban Board auch zur asynchronen Kommunikation im Projekt genutzt werden.

Was kann für die Arbeit mit Kanban Boards noch hilfreich sein?

Abb. 4: Kanban Prinzipien (Grafik von Andrea Bode erstellt für das Projekt „Agile Methoden in digitalen Lehrveranstaltungen“ (AGGIT) lizenziert unter CC BY-NC-ND (4.0))

Pull-Prinzip

Kanban oder Scrum Boards nutzen ein „Pull-Prinzip“. Das bedeutet, dass jedes Teammitglied selbst auswählt, welche Karte er/sie als nächstes bearbeitet und diese durch das Board zieht.

Work-in-Progress-Limits (WiP-Limits): Um zu verhindern, dass zu viele Arbeiten gleichzeitig begonnen werden, können Work-in-Progress-Limits (WiP-Limits) eingeführt werden. Sie begrenzen die Anzahl der Arbeitseinheiten, die in einer Spalte bearbeitet werden dürfen. Der Einsatz von WiP-Limits hat positive Effekte auf die Zusammenarbeit von Studierenden. Durch das WiP-Limit müssen sich Studierende zunächst auf eine Arbeitseinheit fokussieren und schließen die Bearbeitung tendenziell schneller ab. Grundsätzlich empfiehlt Pfeffer (2023, S. 151), bei der Arbeit mit Kanban Boards direkt mit WiP-Limits zu starten. Er plädiert jedoch für die anfängliche Einführung hoher WiP-Limits. Sobald die Beteiligten sich an die Arbeit mit dem Kanban Board gewöhnt haben, können die WiP-Limits gesenkt werden. Niedrigere WiP-Limits führen dazu, dass vermehrt Blockaden im Durchlauf gelöst werden müssen, bevor neue Arbeitseinheiten begonnen werden können. Somit wird ein gleichmäßiger Durchlauf ermöglicht und die Teammitglieder unterstützen sich gegenseitig.

One Piece Flow: Es sollte möglichst ein Task komplett durchgearbeitet werden, bevor ein anderer angefangen wird. Dies hilft den Teammitgliedern sich auf die Abarbeitung einzelner Aufgaben zu konzentrieren, fokussiert zu arbeiten und schnell Erfolge zu erzielen, weil Aufgaben erledigt werden konnten.

First Things First: Das Team sollte im Idealfall eine Priorisierung vornehmen und die wichtigsten Aufgaben zuerst erledigen.

Synchronisation von Teammitgliedern: Kanban Boards helfen dabei unterschiedliche Prozessschritte sowie die Kollaboration von Teammitgliedern besser zu synchronisieren, indem hierfür zusätzliche Spalten in der Tabelle angelegt werden. Wenn eine Karte also von mehreren Teammitgliedern nacheinander bearbeitet wird, z. B. weil ein Teammitglied etwas entwickelt und ein anders Teammitglied im Anschluss eine Testung vornimmt, können die Teammitglieder absprechen, wann die Karte weitergegeben wird. Gilt dies für viele Karten, so kann es sinnvoll sein das beispielsweise die Spalte „Entwickeln“ in zwei Unterspalten „Doing“ und „Done“ aufgeteilt wird, damit der/die nachfolgende Bearbeiterin sehen kann, wann er/sie eine Karte übernehmen kann.

Weitere Möglichkeiten Kanban oder Scrum Boards für die Lehre anzupassen:

Backlog Spalte

Die Backlog Spalte dient dazu alle großen Arbeitspakete (User Stories/Epics) bzw. alle zu erledigenden Aufgaben/Tasks zu erfassen. Auch können hier ggf. neue Aufgaben abgelegt werden, die im Verlauf eines Lern- oder Arbeitsprozesses entstehen, aber nicht sofort erledigt werden sollen/können. Die Backlog Spalte kann alternativ auch als sogenannter „Brain Dump“ genutzt werden, um Platz für Ideen zu bieten, die aktuell nicht relevant sind, aber die man eventuell in der Zukunft weiterverfolgen möchte.

Bei der Nutzung von Kanban/Sprint Boards in der Lehre kann die Lehrperson in der Backlog Spalte bereits alle großen Lern-/ Arbeitspakete eines Semesters anlegen. Wird das Semester in mehrere Sprints unterteilt, wie es bei der Verwendung von „Scrum in der Lehre“ üblich ist, können zu Beginn eines Sprints beim Planning die für diesen Sprint relevanten Aufgabenpakete genauer definiert in kleinere Tasks unterteilt und in die Spalte To Do gelegt werden. Nutzt man das Board hingegen eher im Sinne eines Kanban Boards so können die Teams bzw. einzelne Studierende entscheiden, wann sie welche Aufgabe in die Spalte To Do verschieben und somit priorisiert bearbeiten wollen.

Blocker

Es kann vorkommen, dass Studierende bei der Bearbeitung von Aufgaben auf Hindernisse stoßen, die sie nicht ohne Weiteres überwinden können oder bei denen es Klärungsbedarf gibt. Dies können die Studierenden auf einer Karte vermerken und die Karte z.B. für einen schnelleren Überblick farblich markieren. Auch kann eine eigene Spalte eingerichtet werden, in die Studierende blockierte Karten ziehen können. Beim nächsten Teammeeting, Stand Up oder Review können die Studierenden dann im Team oder mit der Lehrperson besprechen, wie sie das Problem lösen können.

Teamspalte

Optional kann am Rand des Boards auch eine Teamspalte angelegt werden, in dem die Studierenden z.B. gemeinsame Prozessregeln (z.B. eine Definition of Done, Akzeptanzkriterien für die zu bearbeitenden Aufgaben) oder Teamregeln und Vereinbarungen (z.B. Definition of Fun/ Working Agreements) für alle sichtbar ablegen können.

Burn Down Chart

Sofern die Aufwände der einzelnen Karten/Tasks geschätzt wurden, kann  ein Burn Down Chart erstellt werden. Dieses visualisiert den noch zu bearbeitenden Aufwand in Relation zur noch vorhandenen Zeit. Mithilfe von Burn Down Charts lassen sich die Entwicklungen der Studierendenteams, sowie einzelner Teammitglieder über den Lernprozess hinweg analysieren.


Wie ein Kanban/Scrum-Boards im Lehrkontext für individuelles oder gruppenbezogenes Feedback genutzt werden kann, können Sie im Artikel von Prof. Dr. Carsten Stechert und Hans-Patrick Balzerkiewitz zum Thema: „How to Prepare Students for an Agile Professional Life“ nachlesen oder in unserer zweiten Podcastfolge mit Prof. Stechert hören.


Literatur

Leopold, K. (2017) Kanban in der Praxis. Vom Teamfokus zur Wertschöpfung. München: Hanser Verlag.

Pfeffer, J. (2023) Grundlagen der agilen Produktentwicklung. Basiswissen zu Scrum, Kanban, Lean Development (2. aktualisierte Auflage). Wangen im Allgäu: peppair Verlag.

Simschek, R. (2020). Agilität? Klare Antworten aus erster Hand. München: UVK Verlag.

Stechert, C., Balzerkiewitz, H: How to Prepare Students for an Agile Professional Life. IFAC-PapersOnLine, Volume 55, Issue 10, 2022, Pages 2431-2436, 2022