Die Design Challenge

Am Anfang des Design Thinking Prozesses wird eine Design Challenge als konkrete Aufgabenstellung formuliert. Im Kontext von Lehre ist dies Aufgabe der Dozierenden. Die Design Challenge definiert das Problemfeld bzw. das Lernfeld, das durch den Design Thinking Prozess gelöst werden soll. Sie kann prinzipiell jedes Themenfeld behandeln und wird von den Lehrenden aus dem Thema der Lehrveranstaltung generiert.

Die Design Challenge sollte idealerweise so formuliert sein, dass die Studierenden die Möglichkeit haben zu erkennen, welche Bedeutsamkeit das Thema hat, und motiviert werden, die Aufgabe zu bearbeiten. DesignThinking orientiert sich daher bei der Formulierung der Design Challenge an folgenden Aspekten:

Abb. 1: Innovation entstehen in der Schnittmenge von Mensch, Technologie und Wirtschaft. (Grafik von Andrea Bode erstellt für das Projekt Agile Methoden in digitalen Lehrveranstaltungen lizenziert unter CC BY-NC-ND (4.0))

Hintergrund ist, dass im Design Thinking davon ausgegangen wird, dass Lösungen immer dann als besonders passend und wertvoll (oder sogar innovativ) gelten können, wenn sie sich in der Schnittmenge der drei überlappenden Sphären, die in Abbildung 1 dargestellt sind, befinden: Sie sich also sowohl aus der Nutzerperspektive als auch aus der wirtschaftlichen Perspektive und der technologischen Perspektive heraus als erwünscht und machbar präsentieren (vgl. hierzu z. B. [1]).

Formulierung der Design Challenge als konkrete Aufgabenstellung

Die Design Challenge wird als Aufgabenstellung formuliert. In der Regel grenzt die Aufgabenstellung lediglich das Innovationsobjekt, die Zielgruppe/n und den Kontext ein (vgl. [6, S. 26]).

Im Design Thinking wird hierzu eine Formulierung genutzt, die als „How might we…“-Frage (im Deutschen auch WKW-Frage, also „Wie können wir-Frage“) bezeichnet wird. Sie könnte wie folgt aussehen:

Wie könnten wir ____________ (Innovationsobjekt/Erlebnis)

für ___________(Zielgruppe/Nutzer*innen)

(wo/wann/im Kontext von)___________ gestalten/verändern/etc.?

Durch die Verwendung der Formulierung „How might“ oder „Wie könnten“ wird die Offenheit der Aufgabenstellung betont: Es gibt mehrere Wege die Aufgabenstellung zu lösen, das Team ist frei in der Wahl seines Lösungsweges. Auch ist es wichtig, die Zielgruppe zu erwähnen, da die Lösung für diese Menschen entwickelt werden soll. Zuletzt dient das We/Wir dazu, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass die Aufgabenstellung als Team gelöst werden soll. (Zur Formulierung der How might we..“-Frage siehe auch: [3, S. 125ff] sowie [4, S. 74.])

Wichtig ist darüber hinaus, dass die Design Challenge möglichst offen gestaltet wird (siehe [6, S. 26]). Sie sollte also lediglich einen groben Rahmen vorgeben, der das Problemfeld begrenzt ohne bereits Lösungsansätze zu implizieren. Aufgabe der Studierenden-Teams wird es anschließend sein, innerhalb dieses Rahmens eine spezifische/konkrete Problemstellung zu erarbeiten und für diese eine Lösung zu entwickeln.

Bei der Formulierung der Design Challenge handelt es sich immer auch um einen Balanceakt zwischen Offenheit und Konkretisierung, sodass die Studierenden die Möglichkeit haben, innerhalb des Problemraums möglichst vielfältige konkrete Probleme und Lösungswege verfolgen zu können und gleichzeitig die Lernziele (v. a. im Hinblick auf fachliche Kompetenzen und Wissenserwerb) erreicht werden.

Überprüfungsmöglichkeiten, ob die Design Challenge/„How might we…“-Frage zu eng oder zu weit gefasst ist:

  • Ob die Herausforderung zu eng gefasst ist, können Lehrende dadurch überprüfen, dass sie vorab aus ihrer Perspektive mögliche konkrete Lösungswege sammeln. Ergeben sich nur sehr wenige unterschiedliche Lösungswege, so ist es wahrscheinlich, dass die Studierenden-Teams hinterher ebenfalls nur auf diese offensichtlichen Lösungen kommen. Eine sehr eng gefasste Aufgabe bietet den Studierenden weniger Raum für Kreativität und das Ausprobieren eigener Lösungswege, was sich unter Umständen negativ auf die Motivation auswirken kann. In diesem Fall kann es also sinnvoll sein, die Design Challenge etwas offener zu formulieren und beispielsweise die Gruppe der Zielpersonen/potentiellen Nutzer*innen zu erweitern oder auch ein breiteres Spektrum an verschiedenen zu erstellenden Prototypenformen (vgl. dazu auch Phase 5 (Prototyp erstellen) zuzulassen.
  • Auf der anderen Seite kann durch die Präzisierung verschiedener Kontextaspekte (wie z. B. vordefinierter Nutzergruppen, Orte, Interaktionswege, Ausgangsbedingungen) eine zu weit formulierte Aufgabenstellung weiter eingrenzen werden.

Die Beschreibung der Design Challenge sollte idealerweise während des Design Thinking Prozesses für alle Beteiligten jederzeit sichtbar platziert werden.

Zusatzinformationen zur Formulierung einer Design Challenge im Kontext von Lehre, im Vergleich zum Vorgehen im Unternehmenskontext:

Beim Design Thinking im Unternehmenskontext ist die Formulierung der Design Challenge Teil der ersten Phase (Verstehen) und wird hier vom Design Thinking Team erarbeitet. Dabei werden zuerst alle relevanten Informationen zum Problem von den Teammitgliedern zusammengetragen und anschließend gemeinsam eine Design Challenge/Herausforderung herausgearbeitet und in einem prägnanten Satz gefasst.

Im Kontext von Lehre wird die Design Challenge hingegen vorab von den Lehrenden (und nicht vom Studierenden-Team) aus dem Themenfeld der Lehrveranstaltung formuliert und im Hinblick auf die Lernziele und das Constructive Allignment abgestimmt (vgl. hierzu auch das Vorgehen in [2]).

Die Design Challenge wird den Studierenden zu Beginn der Lehrveranstaltung oder der Design Thinking Lehreinheit vorgestellt. Die Aufgabe der Studierenden/Lernenden ist es anschließend, in der ersten Phase (Verstehen) Informationen zum Themengebiet bzw. zur Problemstellung zu sammeln oder bereitgestellte Informationen/Materialien zu bearbeiten und ggf. zu ergänzen. In Phase 3 (Standpunkt definieren)  werden die Studierenden dann aus der allgemein gestellten Design Challenge eine konkrete Aufgabenstellung für ihr Team entwickeln und im Folgenden weiterbearbeiten.

Somit steht hier in erster Linie nicht die Lösung der Challenge (beispielsweise die Entwicklung eines marktfähigen Produkts) im Fokus, sondern vielmehr der Lernprozess der Studierenden/Lernenden. Der Design Thinking Prozess wird hier als Rahmen eingesetzt, um den Lernprozess in Teams zu strukturieren.


Literatur und Quellen

[1] Chasanidou, D.; Gasparini, A. A.; Lee, E (2015) Design Thinking, Methods and Tools for Innovation. In: Marcus, Aaron. (Hrsg.), Design, User Experience, and Usability, Design Discourse. Lecture Notes in Computer Science. Cham: Springer

[2] Hopp Foundation (Hrsg.) (N. N.) Design Thinking in der weiterführenden Schule. Band 1 Grundlagen und Methoden, Abrufbar unter: https://www.hopp-foundation.de/unterrichtsmaterial/zum-download/design-thinking-und-schule/ [Stand: 13.02.2024]

[3] Lewrick, M.; Link, P.; Leifer, L. (Hrsg.) (2020). Das Design Thinking Toolbook, Die besten Werkzeuge und Methoden. München: Vahlen.

[4] Lewrick, M.; Link, P.; Leifer, L. (Hrsg.) (2018). Das Design Thinking Playbook, Mit traditionellen, aktuellen und zukünftigen Erfolgsfaktoren. München, Vahlen.

[5] Osann, I.; Mayer, L.; Wiele, I. (2018). Design Thinking Schnellstart, Kreative Workshops gestalten. Lernlogbuch, Phasen-Check, Handwerkszeug, Dokumentation, Agendabeispiele. München, Carl Hanser Verlag.

[6] Uebernickel, F.; Brenner, W.; Pukall, B.; Naef, T.; Schindlholzer, B. (2015). Design Thinking. Das Handbuch. Frankfurt am Main: Frankfurter Societäts-Medien.