6. Phase: testen

In der letzten Phase des Design Thinking Prozesses werden die zuvor entwickelten Prototypen getestet. Die Tests dienen in erster Linie dazu, zu überprüfen ob die Prototypen bereits eine zufriedenstellende Lösung für das Problem darstellen, bzw. ob sie die Anforderungen der potentiellen zukünftigen Nutzer erfüllen. Ist dies nicht der Fall, kann eine (weitere) Iteration durchgeführt werden, bei der entweder der Prototyp oder aber die gesamte Lösungsidee (Phase 4) angepasst wird. Im Kontext von Lehre wird auf weitere Iterationen meist verzichtet.

Zusatzinformation:

Prototypen sind vereinfachte, mehr oder weniger funktionsfähige, unfertige Modelle von geplanten Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen, die iterativ verbessert werden, bis das gewünschte Endprodukt erreicht ist. Im Design Thinking gilt daher der Grundsatz: „Fail fast bzw. iterate fast!“ Es wird also davon ausgegangen, dass es bei der Entwicklung und Testung von Protoypen von Vorteil ist, Fehler oder unerwartete Herausforderungen etc. bereits in einem frühen Stadium zu erkennen und darauf mit einer Anpassung zu reagieren. So kann im unternehmerischen Kontext verhindert werden, dass erst viel Zeit, Energie oder auch Geld und Material für eine Lösung investiert wird, die am Ende nicht funktioniert oder nicht den Bedürfnissen der Nutzer*innen entspricht. Nach dem Motto „Love it! – Leave it! – Change it!” (siehe [3, S. 92ff]) bedeutet dies für Teammitglieder auch, möglichst früh und möglichst häufig im Entwicklungsprozess Feedback einzuholen und dabei offen für das Feedback der Tester und die Meinung der anderen Teammitglieder zu sein, Ideen gegebenenfalls interativ anzupassen oder auch komplett zu verwerfen.

Da der Fokus bei der Anwendung von Design Thinking in der Lehre normalerweise weniger auf der Entwicklung einer perfekten Lösung/eines marktfähigen Produkts etc. liegt, sondern der Lernprozess der Studierenden im Mittelpunkt steht, dient Design Thinking hier in erster Linie dazu, als Rahmenwerk diesen Lernprozess zu gliedern. Somit ist es abhängig vom (Lern-)Ziel der Lehrveranstaltung, ob eine Iteration für den Lernprozess sinnvoll ist (z. B. weil die Entwicklung und Verbesserung eines Produkts/einer Dienstleistung etc. im Vordergrund steht) oder ob der Prozess an dieser Stelle beendet wird. Erfolgt keine weitere Iteration, so können die Studierenden den ersten Prototypen samt den Erkenntnissen aus der Testphase als Endergebnis des Lernprozesses reflektieren, dokumentieren und präsentieren.

Ablauf der Testphase

Die Testphase gliedert sich meist in zwei Abschnitte. Zuerst wird der Prototyp vom Entwicklerteam (intern) getestet, ob er die gewünschten Funktionalitäten erfüllt. Anschließend wird der Prototyp potentiellen zukünftigen Nutzer*innen oder anderen Stakeholdern vorgestellt bzw. von ihnen getestet und ihr Feedback eingeholt und festgehalten. Auch kann es interessant sein, offene Fragen oder neue Ideen der Nutzer*innen/Stakeholder mithilfe des Prototypen einzufangen, zu dokumentieren oder für die Weiterentwicklung zu nutzen.

Zusatzinformation:

Im Sinne einer anwendungsbezogenen, transdisziplinären Lehre könnte darüber nachgedacht werden, für diese Phase (ähnlich zur Durchführung von Beobachtung bzw. Interviews in Phase 2) Personen außerhalb der Lehre beispielsweise von Firmen, öffentlichen Institutionen oder andere Nutzer zu gewinnen. Studierende können so eines „echtes“ Feedback zu ihren entwickelten Ideen aber ggf. auch zur Art der Präsentation erhalten.

Im Lehrkontext endet der Design Thinking Prozess meistens damit, dass die Studierenden-Teams ihre Prototypen oder die Ergebnisse ihres Design Thinking Prozesses (ggf. auch mit den Teilschritten und Teilergebnissen aus den einzelnen Phasen) den anderen Teams in einer gemeinsamen Lehrveranstaltung präsentieren. Im Anschluss kann es sinnvoll sein, dass die Studierenden eine schriftliche Ausarbeitung, einen Projektbericht oder ähnliches erstellen, welche entsprechend auch als (Teil-)Prüfungsleistung genutzt werden könnten. (Vergleiche hierzu z. B. das Vorgehen bei (siehe [1, S. 21f.])).

Fehler werden im Design Thinking bewusst als Lernchancen willkommen geheißen. Das Lernen aus Fehlern wird als zentrales Element des agilen iterativen Prozesses angesehen, bei dem Inspektion, also das Erkennen von Fehlern/Problemen und Adaption (die Anpassung der Lösung/des Produkts oder auch des Prozesses) einander wechselseitig folgen. Wenn Design Thinking in der Lehre genutzt wird, kann es vorkommen, dass die Endergebnisse einzelner Studierenden-Teams (z. B. aufgrund der Tatsache, dass oft keine weiteren Verbesserungen/Iterationen durchgeführt werden) vorher gesetzte Erwartungen nicht vollständig erfüllen. Dies sagt aber nicht zwangsläufig etwas über den Entwicklungsprozess und den Lernzuwachs der Teammitglieder aus. Design Thinking in der Lehre bietet vielmehr die Chance genau dieses Lernen aus Fehlern sowie den Umgang mit Herausforderungen im Verlauf des Lernprozesses in den Fokus zu rücken und zu reflektieren.

Für die Etablierung der dafür notwendigen offenen Fehlerkultur kann es förderlich sein, in der Lehre weniger Bedeutung auf die Qualität des „Abschlussprodukts“/finalen Prototyps des Design Thinking Prozesses zu legen und stattdessen mehr den Lern- und Entwicklungsprozess der Teammitglieder sowie ihre Teamarbeit zu betrachten. Dies kann zum Beispiel durch die transparente Kommunikation eines Bewertungsschemas unterstützt werden, welches eine stärkere Gewichtung auf den Lernprozess, und damit beispielsweise auf Aspekte wie Teamarbeit, kreative Umsetzung, Präsentation oder Dokumentation legt (vgl. hierzu z.B. das Vorgehen bei [1, S. 21f.] sowie [2, S. 273ff])

In dieser Phase können z. B. folgende Methoden unterstützend eingesetzt werden:

  • Feedback Capture Grid
  • A/B Testing
  • Präsentationsmethoden (wie z. B. Pecha Kucha)

weiter zu:

Herausforderung definierenPhase 1
verstehen
Phase 2
beobachten
Phase 3
Standpunkt definieren
Phase 4
Ideen finden
Phase 5
Prototyp erstellen
Phase 6
testen

Literatur:

[1] Gläsener, K.; Afflerbach, T.; Ducki, A. (2019). Design Thinking, Digitalisierung und Diversity Management: Ein Praxisleitfaden für die Lehre. Opladen; Berlin; Toronto: Verlag Barbara Budrich.

[2] Härer, F.; Herzwurm, G. (2022). Design Thinking als agiler Ansatz zur Entstehung von innovativen Lernumgebungen. In: Bedenlier, S.; van den Berk, I. et.al. (Hrsg.), Die hochschullehre, Interdisziplinäre Zeitschrift für Studium und Lehre, 2022(8), 268-283.

[3] Lewrick, M.; Link, P.; Leifer, L. (Hrsg.) (2018). Das Design Thinking Playbook. Mit traditionellen, aktuellen und zukünftigen Erfolgsfaktoren. München: Vahlen.