Was ist agile Lehre?

In einer sich schnell verändernden Welt, in der Technologie, Umweltfragen, soziale Dynamiken und wirtschaftliche Entwicklungen ineinandergreifen, ist es notwendig, als Einzelpersonen wie auch als Gesellschaft innovative Lösungen zu finden und sich schnell und flexibel an neue Gegebenheiten anzupassen oder auf komplexe Herausforderungen reagieren zu können. Mit Blick auf diesen gesellschaftlichen Transformationsprozess stehen Hochschulen vor der Aufgabe, ihre Studierenden bestmöglich für die berufliche und gesellschaftliche Teilhabe und die Mitgestaltung dieser sich schnell wandelnden und zunehmend digitalisierten Arbeits- und Lebenswelt vorzubereiten.

Agile Methoden werden in Unternehmen zur Lösung komplexer Probleme oder Fragestellungen eingesetzt, bei denen häufig nicht alle Informationen vorab bekannt sind, oder es nicht nur einen vorgegebenen Lösungsweg gibt. Agilität erweist sich hierbei nicht zwangsläufig als schneller, oft aber als treffsicherer, da sie u.a. den Austausch von Wissen und Ideen sowie die Zusammenarbeit und Partizipation verschiedener Akteure fördert, was zur Entwicklung von vielfältigen und inklusiven Lösungen beiträgt. Die Fähigkeit agil zu arbeiten, zu denken und zu lernen stellt folglich eine unverzichtbare Kompetenz dar, die heutige Studierende für den Einstieg ins Berufsleben dringend benötigen.

Agile Lehr-/Lernsettings

Abb. 1: Agile Studierendenteams (Grafik von Patricia Hein erstellt für das Projekt „Agile Methoden in digitalen Lehrveranstaltungen“ (AGGIT) lizenziert unter CC BY-NC-ND (4.0))

Und so gewinnen agile Lehr-/Lernsettings, welche kollaboratives und selbstgesteuertes oder selbstorganisiertes Lernen der Studierenden in Teams fördern, mehr und mehr an Bedeutung. Der Fokus liegt dabei auf der Arbeit mit studentischen Teams. Die Studierenden organisieren ihr Lernen eigenverantwortlich und arbeiten kollaborativ und weitestgehend selbstbestimmt zusammen. Hierbei lernen die Teammitglieder auch voneinander, erkennen eigene Stärken, Schwächen und Interessen und werden durch die Erfahrung ihrer Selbstwirksamkeit motiviert. Agile Methoden fördern außerdem die Fähigkeit iterativ vorzugehen. Studierende können lernen Fehlern als Lernchancen zu begreifen und zum Anlass für eine kontinuierliche Verbesserung zu nehmen – alles wichtige Fähigkeiten, die sie auf ihre zukünftige berufliche Laufbahn vorbereiten und sie dabei unterstützen, Verantwortung für sich und für die Gesellschaft zu übernehmen.

In agilen Lehr-/ Lernsettings unterstützen Lehrende die Studierenden bei der kollaborativen Gruppenarbeit durch Anleitung, Beratung und Moderation von Gruppenprozessen. Sie schaffen Transparenz über Ziele, Lerninhalte und Methoden. Dabei nutzen sie agile Methoden, z. B. Retrospektiven, um über Lernprozesse zu reflektieren. So können Lehrende und Studierende bereits im Verlauf des Lernprozesses regelmäßig überprüfen, ob die Studierenden die Lernziele erreichen (Inspektion). Andernfalls kann die Lehrveranstaltung an die Bedürfnisse der Studierenden angepasst werden (Adaption). Durch diesen iterativen Prozess kommen Studierende den Lernzielen kontinuierlich näher.

Wie kann Agilität die Lehre in Bewegung bringen?

Abb. 1: Lehre in Bewegung (Grafik von Patricia Hein erstellt für das Projekt Agile Methoden in digitalen Lehrveranstaltungen“ (AGGIT) lizenziert unter CC BY-NC-ND (4.0))

1.Selbstorganisationsfähigkeit und Autonomie:

Agile Methoden geben Studierenden die Möglichkeit, ihre Arbeitsweise und -geschwindigkeit so weit wie möglich selbst zu bestimmen. Sie unterstützen die Studierenden auch dabei, in Teams Aufgaben gerecht zu verteilen und den Überblick darüber zu behalten, wer für was verantwortlich ist. Beides kann zu einem Gefühl von Autonomie und Eigenverantwortung führen.

2. Kollaboration:

Agile Methoden basieren auf der Zusammenarbeit in Teams und fördern den Austausch von Ideen und Meinungen. Durch kollaboratives Arbeiten an Projekten können sich Studierende gegenseitig motivieren und sie committen sich dazu, gemeinsam Lernziele zu erreichen. Zudem wird ein Lernen durch Peers ermöglicht, da die Studierenden sich mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen ergänzen und/oder beim Lernen gegenseitig unterstützen können. Durch Retrospektiven können Studierende im Team ihre Zusammenarbeit und Kommunikation reflektieren und verbessern.

3. Kontinuierliche Verbesserung:

Agile Lehrmethoden legen Wert auf kontinuierliche Verbesserung und Feedback. Agile Rahmenwerke wie Scrum in der Lehre oder Design Thinking in der Lehre schaffen Möglichkeiten dafür, dass Studierende bereits im Verlauf des Lernprozesses regelmäßig Rückmeldungen zu ihren Lern- oder Arbeitsfortschritten von Dozenten und Kommilitonen erhalten. Studierende können so ihr Lernen anpassen.

4. Flexibles Lernen:

Agile Methoden und Rahmenwerke funktionieren wie Leitplanken. Sie erlauben es den Studierenden innerhalb von vorstrukturierten Prozessen Lernpakete eigenverantwortlich im Team aufzuteilen, sie flexibel zu bearbeiten oder an ihre individuellen Bedürfnisse und Präferenzen anzupassen. Auch haben Lehrende die Möglichkeit kontinuierlich zu überprüfen, wo die Studierenden im Moment stehen und ggf. den Lernprozess anzupassen oder zusätzliche Unterstützungsangebote zu schaffen.

5. Selbstwirksamkeit und Motivation:

Einige agile Methoden oder Rahmenwerke (z. B. Design Thinking) ermöglichen es den Studierendenteams, in bestimmten Themengebieten je nach Interessen oder Kompetenzen eigene Schwerpunkte zu setzen. Insgesamt können agile Methoden so dazu beitragen, dass Studierende sich für ihren Lernprozess selbst verantwortlich fühlen, dass sie sich engagieren und motiviert bleiben, um ihre selbstgesteckten oder im Team vereinbarten Ziele zu erreichen.