Kanban und Scrum sind zwei unterschiedliche agile Rahmenwerke mit verschiedenen Anwendungsgebieten, Vor- und Nachteilen. Bei der Entwicklung des Scrum Frameworks orientierten sich die Erfinder in Teilen an der Kanban Methode. So werden z.B. Kanban Boards im Scrum als wichtiges Tool eingesetzt, um die Teamarbeit zu strukturieren. Sowohl Scrum als auch Kanban können im Lehrkontext eingesetzt werden, sie eignen sich aber für unterschiedliche Anwendungsfälle.
Für eine bessere Abgrenzung haben wir hier eine kurze Gegenüberstellung von Scrum und Kanban versucht. Dabei gehen wir zuerst auf die Unterschiede bei der Verwendung der Methoden im unternehmerischen/ industriellen Kontext und anschließend auf die Besonderheiten bei der Anwendung in der Lehre ein.
Kanban
Kanban ist eine in den 1940ern bei Toyota eingeführte Methode für die Produktionssteuerung. Die Grundidee war einen schnelleren Informations- und Materialfluss zu generieren und einen gleichmäßigen Durchlauf zu erzeugen, um eine möglichst geringe Verschwendung von Ressourcen zu erhalten (Simschek 2020, S. 139) und Lagerkapazitäten einzusparen.
Scrum
Scrum wurde in den 1990ern von Jeff Sutherland und Ken Schwaber als Regelwerk für die Softwareentwicklung entwickelt, um interdisziplinären Team die Bearbeitung komplexer und schlecht planbarer Aufgaben zu erleichtern und eine Möglichkeit zu bieten sich innerhalb des Entwicklungsprozess schnell und iterativ an sich verändernde Anforderungen anzupassen.
Im Fokus steht bei Kanban die Optimierung eines kontinuierlichen (auf lange Laufdauer ausgelegten) Workflows. Mithilfe des Kanban Boards werden alle Aufgaben visualisiert und so Transparenz über den Ist-Zustand. Während des Prozesses können so Hindernisse und Probleme besser erkannt und beseitigt werden.
Veränderungen können bei Kanban jederzeit eingeführt werden. Es gibt keine zeitliche Unterteilung in Sprints/Iterationen.
Kanban erlaubt einen flexibleren Prozess. Im Vergleich zu Scrum gibt es weniger feste Regeln und keine vordefinierten Rollen für den Arbeitsprozess oder für Meetings.
Scrum ist ein empirisches Prozessvorgehen. Der Prozess ist iterativ angelegten und gliedert sich in aufeinander aufbauenden (ca.2-4 wöchigen) Arbeitsschleifen, die sogenannten Sprints. Regelmäßige Inspektion am Ende eines Sprints führt zu Adaption im darauffolgenden Sprint.
Scrum hat ein fixes Regelwerk mit vordefinierten Rollen (Scrum Master, Product Owner, Entwicklerteam), sowie festgelegten Events/Zeremonien und Zeiteinteilungen.
Man könnte sagen:
Indem bei Scrum das WIE (Arbeitsweise) durch einfache Regeln stark strukturiert wird, kann das (aufgrund der komplexen Aufgabenstellung „unbekannte“) WAS (Inhalt) freier bearbeitet werden.
Bei Scrum wird am Anfang eines Sprints geplant, welche Aufgaben in dieser Zeit zu bearbeiten sind. Während eines Sprints sind normalerweise keine Änderungen erlaubt. Ein Kanban Board dient dabei als Instrument für die Planung einzelner Sprints und wird deshalb oft als Scrum Board oder Sprint Board bezeichnet.
Kanban Boards
Kanban Boards bleiben in der Regel bestehen und können jederzeit mit neuen Aufgaben gefüllt/ergänzt werden.
Absprachen zwischen den Teammitgliedern sind hier wichtig, um zu priorisieren, welche Aufgaben als nächstes erledigt werden sollen.
Regelmäßige Überprüfungsphasen müssen selbst vereinbart werden.
Kanban im Lehrkontext:
Nicht immer ist es im Lehrkontext notwendig oder praktikabel das gesamte Rahmenwerk „Scrum in der Lehre“ in einer Lehrveranstaltung anzuwenden. Kanban Boards können auch unabhängig davon einen Mehrwert für Lernprozesse oder Teamarbeitsphasen bieten.
Mit Kanban(boards) kann ein Team ein gemeinsames Projekt kollaborativ bearbeiten, es ist aber auch möglich damit stärker arbeitsteilige Prozesse zu organisieren, bei denen Gruppenmitglieder alleine für bestimmte Aufgabenbereiche verantwortlich sind und nicht zwingend ein Austausch unter den Gruppenmitgliedern stattfinden muss. In der Lehre könnten hier beispielsweise Aufgaben sichtbar gemacht werden, die jedes Teammitglied in Eigenarbeit zu erledigen hat (etwa das Sehen von Lernvideos, das Lesen von Literatur, das Ablegen von formativen Zwischentests etc.)
Auch können Kanbanboards von Einzelpersonen (Personal Kanban) genutzt werden um damit anstelle einer To Do Liste ihre Arbeit besser zu organisieren. So können sie beispielsweise bei der Strukturierung größerer wissenschaftlicher Arbeiten hilfreich sein.
Scrum Boards
Bei Scrum Boards sollten während eines Sprints möglichst keine neuen Karten erstellt werden. Scrum Boards werden nach jedem Sprint geleert und im Planning des nächsten Sprints mit den Aufgaben, die in diesem Sprint relevant sind, gefüllt.
Nicht erledigte Aufgaben können im Review identifiziert und in den nächsten Sprint übernommen werden.
Scrum im Lehrkontext:
Bei „Scrum in der Lehre“ arbeiten die Studierendenteams selbstorganisiert an einem gemeinsamen Projekt und legen eigene Priorisierungen fest. Es eignet sich daher v.a. für projektbasierte Phasen oder wenn Studierende in Teams Lerninhalte selbstorganisiert erarbeiten sollen. Oft kann das Ergebnis des Lern-/Arbeitsprozesses nicht genau auf die Leistung einzelner Teammitglieder zurückgeführt werden. Es bedarf innerhalb des Teams einer guten gegenseitigen Abstimmung.
„Scrum in der Lehre“ schafft über ein Semester hinweg einen Rahmen dafür WIE die Studierenden zusammenarbeiten oder gemeinsam Lernpakete bearbeiten. Der Inhalt, also das WAS GELERNT WERDEN SOLL, wird dabei von der Lehrperson festgelegt. Die Studierenden können aber innerhalb des Rahmens entscheiden, welche Lernpakete oder Aufgaben sie wann erledigen und wie sie diese (v.a. bei projektorientierten Lernphasen) konkret ausgestalten wollen. In diesem Punkt unterscheidet sich Scrum in der Lehre von Scrum wie es in der Industrie eingesetzt wird.
mehr zu:
Literatur:
Pfeffer, J. (2023) Grundlagen der agilen Produktentwicklung. Basiswissen zu Scrum, Kanban, Lean Development (2. aktualisierte Auflage). Wangen im Allgäu: peppair
Simschek, R. (2020). Agilität? Klare Antworten aus erster Hand. München: UVK Verlag
https://www.veraenderungskraft.de/scrum-und-kanban-im-vergleich-unterschiede-und-gemeinsamkeiten/ (Stand: 19.07.24)